Auseinandersetzungen um Aufarbeitung des Unabhängigkeitskrieges 1971 eskalieren. Islamisten ­reagieren mit Generalstreik auf Tod

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Submitted by suman on Wed, 06/03/2013 - 1:25am
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In Bangladesch haben die Auseinandersetzungen um das Vorgehen der Justiz gegen führende Mitglieder der islamistischen Partei Dschamat-E-Islami in den vergangenen Tagen mindestens 61 Menschenleben gefordert. Nachdem im Februar zunächst Tausende gegen ihrer Meinung nach zu milde Urteile im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen während des Kampfes um die Unabhängigkeit Bangladeschs von Pakistan 1971 auf die Straße gegangen waren, haben Anhänger der Islamisten am Sonntag und Montag mit einem 48stündigen Generalstreik auf das am vergangenen Donnerstag von einem Gericht in Dhaka gegen ihren Vizechef, den Prediger Delwar Hossain Sayedee, verhängte Todesurteil reagiert. Am Montag verübten unbekannte Täter zudem einen Anschlag auf den indischen Präsidenten Pranab Mukherjee, der sich zu einem Staatsbesuch in Dhaka aufhielt. Ersten Ermittlungen zufolge schleuderten zwei Männer auf einem Motorrad einen selbstgebauten Sprengsatz auf das Hotel, in dem der Staatsgast untergebracht war. Verletzt wurde offenbar niemand.

Bereits seit Mitte Februar hatten Anhänger der Dschamat-E-Islami mit gewaltsamen Übergriffen die sogenannte Shahbag-Protestbewegung, die sich für eine harte Bestrafung der Kriegsverbrecher von 1971 einsetzt, bekämpft. Am 15. Februar ermordeten mutmaßliche Islamisten brutal den Blogger Ahmed Rajib Haider, einen führenden Vertreter der Bewegung. Als Verdächtige wurden am vergangenen Freitag fünf Mitglieder der islamistischen Studentenorganisation Islami Chatra Shibir festgenommen. Medienberichten zufolge sollen sie ihre Schuld eingestanden haben. Auf den Mord hatten Tausende mit Trauerkundgebungen und dem Schwur reagiert, bis zur Hinrichtung der Kriegsverbrecher, dem Verbot der Dschamat-E-Islami und der Schließung von deren Finanzierungsinstrumenten auf der Straße zu bleiben. Haider hatte auf seiner Internetseite deutlich gegen die Islamisten Stellung bezogen, woraufhin diesen nahestehende Plattformen Drohungen gegen den Blogger veröffentlichten.

Die Aktivisten der Shahbag-Bewegung wollen sich durch die Übergriffe der Islamisten nicht von der Straße verdrängen lassen. Mit einem Straßenfest feierten sie am Donnerstag das Todesurteil gegen Delwar Hossain Sayedee, und harren weiter auf dem Projonmo Chottor, einem Verkehrsknotenpunkt in Dhaka, aus. Der Platz, dessen Name mit »Kreis der neuen Genera­tion« übersetzt werden kann, ist zum Symbol für ihre Bewegung geworden. Demgegenüber reagierten mutmaßliche Mitglieder der Dschamat-E-Islami auf den Richterspruch mit Angriffen auf Angehörige der buddhistischen und Hindu-Minderheit und auf die Sicherheitskräfte. Durch letztere soll offenbar die Armee zum Eingreifen und zu einem Staatsstreich provoziert werden. Davon erhoffen sich die Islamisten eine Beendigung der Prozesse. Anhänger der Partei werden auch hinter einem mutmaßlichen Anschlag vermutet, bei dem in der vergangenen Woche 40 Buchstände auf der am 1. Februar eröffneten Literaturmesse an der sprachwissenschaftlichen Bangla Academy der Universität Dhaka zerstört wurden. Die Regierung in Dhaka hat inzwischen einen harten Kurs gegen die Ausschreitungen angekündigt. Auch Sprecher der Vereinten Nationen zeigten sich besorgt über die Angriffe auf religiöse Minderheiten in Bangladesch.

Hintergrund der Krise ist die Abspaltung Bangladeschs von Pakistan im Jahr 1971. Das Militärregime in Islamabad reagierte damals auf die Sezession mit einem blutigen Rachefeldzug, dem Schätzungen zufolge bis zu drei Millionen Menschen zum Opfer fielen. Dabei konnten die Militärs auf Unterstützung der Islamisten zählen, die eigene Todesschwadronen bildeten. Schon unmittelbar nach dem Ende des Krieges und der Anerkennung der Unabhängigkeit am 16. Dezember 1971 begannen in Bangladesch Prozesse gegen die Verantwortlichen für den Massenmord, die religiösen Parteien wurden verboten. 1975 stoppt das an an die Macht geputschte und von den USA unterstützte Militärregime jedoch die Verfahren und entließ die Kriegsverbrecher aus der Haft. Erst 2009 wurden die Ermittlungen unter der heutigen Ministerpräsidentin Hasina Wajed von der sozialdemokratisch und säkular orientierten Awami-Liga wieder aufgenommen.

##Das Bericht ist am 05.03.2013 in Junge Welt veröffentlicht.


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